Reisen ist auf vielerlei Art möglich. Davon erzählt der Tanzabend "Globetrotter" im Großen Haus des Stadttheaters, der sich diesem Thema aus zwei verschiedenen Blickwinkeln nähert.
Reisen ist auf vielerlei Art möglich. Mit Sicherheit ist es nicht mehr so unbeschwert, wie es früher einmal war. Davon erzählt der Tanzabend "Globetrotter" im Großen Haus des Stadttheaters, der sich diesem Thema aus zwei verschiedenen Blickwinkeln nähert. "Globe" nennt der polnische Choreograf Jacek Przybylowicz seine Arbeit mit integrierten Videoinstallationen. Die slowenische Choreografin Rosana Hribar betitelt ihre quirlige Präsentation "Swift steps, ready courage". Zwei gegensätzliche Arbeiten. Am Ende gab es begeisterten Applaus für die beiden Choreografen und die 13 Tänzerinnen und Tänzer - sechs davon neu bei der Tanzcompagnie Gießen.
"Globe" handelt von der Idee, eine neue Umwelt zu entdecken. Sei es in der Natur, sei es im Umfeld der Tänzer aus aller Welt, die vielfach wie Nomaden leben müssen. Für seine Performance hat der Choreograf ein klassisches Musikstück aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ausgesucht: die Ballettmusik "Panambi" des argentinischen Komponisten Alberto Ginastera, 1940 in Buenos Aires uraufgeführt und deutlich an Strawinsky und Debussy orientiert.
Nach einem kurzen Videoauftakt stehen schon alle Tänzer auf der Bühne, gekleidet in olivfarbene Tropenanzüge mit kurzen Hosen, unerschrocken in Haltung und Gestus. Ein schlichtes Bühnenbild stellt den tropischen Hintergrund: Eine Kunststofffolie, die bei wechselnder Beleuchtung in allen Regenbogenfarben schillert, vor allem grün, wie man sich den Dschungel vorstellt. Bühnenbildnerin Imme Kachel hat sowohl dieses karge Bühnenbild als auch das expressive Bild im nächsten Stück kreiert.
Die ganze Gruppe teilt sich auf: Jetzt sind noch drei Paare zu sehen, verschmolzen in einem kurzen Liebesakt, dann haben sich wieder alle zusammengefunden. Die Gruppe schlängelt sich über den Tanzboden, synchrone Bewegungen, alles ist im Fluss. Dabei übernehmen Sven Krautwurst und andere erfahrene Tänzer wichtige Positionen, die sechs "Neulinge" passen sich gut an. In der relativ kurzen Zeit seit Beginn der Spielzeit hat sich eine doch recht homogene Compagnie herausgebildet.
Zwischendurch eine weitere Videoeinspielung: Die ganze Compagnie ist im Zeitraffer durchs Stadttheater unterwegs, bäuchlings durch Gänge und über Treppen. Ein gelungener kleiner Film von Ewa Krasucka, der zeigt, dass der Dschungel nicht nur in fernen Kontinenten herrscht, sondern für die Tänzer schon am Arbeitsplatz beginnt.
Magdalena Stoyanova tritt auf, sie balanciert einen schwarzen Origami an einem Stab vor sich her. Glücksbote oder Zeichen des Unglücks?
Pause, Schnitt und ein neues Stück. Der Vorhang hebt sich nur um einen Meter. Zu sehen sind tanzende nackte Beine, zwischendrin Männerbeine in dunklem Anzug: Auftakt bei flotter Musik von Darius Milhaud. Der Vorhang hebt sich ganz. Der Tänzer Sven Krautwurst ist unser Gentleman, der um die Welt reist, von Frankreich über Italien nach Mexiko und Brasilien. Die Schirmmützen und Sombreros der Tänzer künden von der Reiseroute. Und der überlebensgroße Kaktus, der sofort die Sympathie des Publikums findet, weist ebenfalls darauf hin, dass wir uns in einem südlichen Land befinden. Und darauf, dass diese Performance nicht ganz ernst gemeint ist, sondern mit einem wippenden Fuß zu genießen ist. Auch in diesem Stück geht es um Überlebenskämpfe in der Fremde, insgesamt kommt aber alles, wie schon in den Klängen von Milhaud angelegt, ein bisschen leichter daher.
Ursula Hahn-Grimm, 01.10.2018, Gießener Anzeiger