"Die Wissenschaft ist der Verstand
der Welt, die Kunst ihre Seele."
Maxim Gorki
Es ist ja schon eigenartig, Theater für eine ganze Stadt, ja eine ganze Region machen zu wollen. Nach sechs Jahren Theaterarbeit und Leben in Gießen kenne ich die Stadt, kenne ich das Umland - geographisch, kulinarisch und auch kulturell. Allerdings muss ich eingestehen, die Menschen, die hier leben und diese Region prägen, natürlich nur zu einem verschwindend kleinen Teil zu kennen. Heterogen ist das Bild der Bevölkerung - ein Bild, wie es heterogener kaum sein kann; ein Mosaik, zusammengesetzt aus verschiedenartigsten Teilen, Teilchen und Gruppen. Unterschiede in regionaler, multinationaler und sozialer Herkunft lassen das Bild der Gießener Bevölkerung bereits in derartig unterschiedlichen Farben schillern, dass - rechnet man dazu noch Parameter wie Alter oder Bildung - die Vermutung nahe liegt, den (proto)typischen Gießener oder Mittelhessen gäbe es gar nicht. Das macht unsere Aufgabe und die Erfüllung unseres selbstverständlichen Anspruchs, alle Menschen in Gießen und Umgebung mit unserer Arbeit erreichen zu wollen, schwer, doch nicht unmöglich, aber für uns vor allem besonders spannend. Denn: Jede Stadt, jede Region ist in aller Verschiedenartigkeit einzigartig, und gerade diese Einzigartigkeit gilt es zu begreifen, aufzunehmen und umzusetzen - ihr in unserer Theaterarbeit Rechnung zu tragen, um so als kultureller Mittelpunkt einer Region tatsächlich mit den Menschen in Dialog zu treten, die in ihr leben, so verschiedenartig sie auch sein mögen.
Unser Dialog-Angebot ist unser Spielplan, der auch in der Spielzeit 2008|2009 wieder in manchen Teilen ganz artig daherkommt - mit großer Oper und spritzig beschwingter Operette, mit klassischen Schauspielen, Komödien und zeitgenössischen Stücken, mit bewegenden Themen im Tanztheater, einem breiten Angebot für die unterschiedlichsten Altersstufen im Kinder- und Jugendtheater und viel Musik in den Konzerten des Philharmonischen Orchesters, das in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert. Unartig sind wir zuweilen in der Umsetzung unserer Themen, in unserem Blick auf die großen bekannten und kleinen unbekannten Bühnenstoffe - ist doch gerade das die Herausforderung, mit Ihnen gemeinsam hinter die Geschichten zu blicken und im Verstehen, Erfahren und Erkennen den eigenen Horizont ein Stückchen zu erweitern.
Ich lade Sie ein, sich verzaubern, anregen und durchaus auch irritieren zu lassen von den verschiedenartigen Geschichten und Themen, die sich auf unseren Bühnen entfalten; sich mutig an vermeintlich Fremdartiges, neuartige Stücke, unbekannte Autoren und zeitgenössische Komponisten zu wagen, offen zu sein für Ungesehenes und so manch Unerhörtes. Ich wünsche mir, weiterhin mit Ihnen gemeinsam ein wenig das Bild dieser Region zu prägen - wäre das nicht großartig?
Ich freue mich auf Sie
Cathérine Miville | Intendantin